1w6 - Ein Würfel System - Einfach saubere, freie Rollenspiel-Regeln

Archetypen der Welt - Berechenbarkeit in Maßen hat Vorteile

Bild von Drak

TheClone schreibt in seinem Beitrag wider die Berechenbarkeit, dass Muster vermieden werden sollten, weil sie zu Metagaming führen.

Ich finde die Muster dagegen eigentlich recht nützlich, solange sie nicht völlig inflexibel werden.

Wenn die Spieler wissen, dass die düstere Gestalt wahrscheinlich gefährlich ist, werden sie sich innerlich schon auf riskantere Szenen vorbereiten, und das heißt, sie werden bereits aktiv.

Je nach Gruppe kann das bedeuten, dass sie sich wappnen und versuchen, das Risiko vorher schon aus dem Weg zu räumen, oder dass sie stärker auf die dann folgende spannende Szenen reagieren; schließlich wurde sie motiviert.

Ich denke, wenn die Muster zu stark werden, bist du als SL gut beraten, dem Tipp von TheClone zu folgen und sie aufzubrechen (spätestens wenn du Sprüche hörst wie "oh, wieder mal der typische Böse"). Allerdings ist es auch erstmal sinnvoll, Muster zu haben, die den Spielern Orientierung geben.

Idealerweise sollten die Muster dabei in der Welt oder der Geschichte verwurzelt sein.

Wenn die Gegner in 3 von 4 Abenteuern Orks sind, deutet das darauf hin, dass der Untergrund der Stadt von Orks dominiert wird, und dass sich die Charaktere mit dem Untergrund angelegt haben.

Der sporadische harmlose Ork sorgt dabei dafür, dass die Chars nicht einfach jeden Ork niedermachen und so immer ein Rest Zweifel bleibt (dadurch bleiben die Abenteuer spannend).

Damit kommen wir übrigens nicht zwingend zum Metagaming, denn die Charaktere erleben ja auch, dass die harmlos aussehende Gestalt in der Ecke sich meist als gefährlich entpuppt. Vielmehr zeigt sich hier eine tiefere Gesetzmäßigkeit der Spielwelt: Harmlos aussehende Gestalten in Kneipen sind meist gefährlich. Anders gesagt: Ein zentraler Archetyp in der Welt ist der harmlos aussehende aber gefährliche Kneipengast.

Unterfütter das im Regelwerk mit Geschichten, und schon wird es offizieller Teil des Kanons und vielleicht sogar Erkennungsmerkmal der Welt - so wie es in Shadowrun "frag the mage first" und "never trust an elf and never ever deal with a dragon" sind. Nicht zu vergessen der wichtige Leitspruch "Trau keinem Schmidt. Er gibt dir zwar das Geld, aber die meisten würden dich auch sofort verraten, denn sie dienen ihrem Kon."

Dieser letzte Leitspruch zeigt übrigens auch, wie wichtig Muster sind: Ein Schmidt baut erst das Muster auf, dass die Charaktere ihm vertrauen können und dass er machbare Runs liefert, so dass sich die Charaktere auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können: Den Run. Irgendwann wird aber fast zwingend ein Run kommen, der die Chars in eine Falle laufen lässt. Wenn die SL den Schmidt behalten will, kann sie dafür einen fremden Schmidt nehmen (dann ist in dieser Runde das Prinzip "Trau nur deinem Stamm-Schmidt") oder dem Schmidt eine verständliche Hintergrundmotivation geben (die entführte Tochter ist ein archetypisches Beispiel - eine neue Liebe innerhalb der Konhierarchie eher weniger). Will sie den Schmidt nicht behalten, kann sie das aufgebaute Muster nutzen, um intensivere Runden zu leiten. Ein gebrochenes Muster bietet fast immer Konfliktpotenzial, und wenn dann noch (InGame) persönliche Vertrauensbrüche dazukommen, wird das Potenzial nochmal größer. Vielleicht beginnt die Runde dann ja einen eigenen Run, in dem sie sich rächt.

Keinerlei Muster entstehen zu lassen bringt dagegen die Gefahr mit sich, den Spielern die Orientierung zu nehmen. Und orientierungslose Spieler sind oft passiv.

Fazit

Schaffe die Form, und brich sie.

Das heißt, bau bewusst archetypische Muster auf und brich sie, wenn die Spieler anfangen, sich zu sehr auf sie zu verlassen.

Du brauchst erstmal eine Form, um sie brechen zu können.

Also müssen wir wieder mal ein Gleichgewicht zu finden - wie auch an so vielen anderen Stellen. Sei nicht zu berechenbar, aber gib den Spielern Orientierung.

Irgendwann geht das übrigens ins Gefühl über und du machst es größtenteils automatisch. Dann musst du nur noch dann und wann prüfen, ob deine unterbewusst laufende Spielweise immernoch richtig ist.

Wenn du ein Beispiel dafür suchst, schau mal Navy CIS. Die spielen wundervoll mit Zuschauer-Erwartungen und brechen ihre Muster auf, sobald man sich an sie gewöhnt hat, stellen Muster in Frage und behalten manche dann doch bei. Ein wirklich verliebter Tony und eine verräterische Abby... :)

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Bild von PiHalbe

Sehr schöner Eintrag

Reflektiert ziemlich gut, was ich mir zu dem Thema denke. Archetypen und sogar Klischees sind Dein Freund, weil sie zwei Dinge tun:

  • Sie vermitteln schnell große Portionen des Spiels.
  • Sie schüren Erwartungen.

    Letzteres kann man wunderbar verwenden, um die Spieler zu überraschen und vor den Kopf zu stoßen. So baut man Spannung und Dilemmata auf - muss ich nun alle Orks hinterfragen oder war das nur ein Einzelfall?

    Natürlich darf man es -- wie TheClone ja auch schreibt -- nicht bis zur Berechenbarkeit kommen lassen, sondern muss rechtzeitig den genau anderen Weg einschlagen. Das Gegenbeispiel alle paar Spielsitzungen trägt sehr erfrischend zur Spieltiefe bei.

    Erst nutzen, dann brechen!

  • Bild von inside

    Dem stimme ich zu

    Ich kann PiHalbe da nur zustimmen und dir natürlich auch. Schöner Beitrag und schöne Zusammenfassung zum Verwenden von Archetypen.

    Ein gelungener Artikel, dem

    Ein gelungener Artikel, dem ich nur beipflichten kann. Vor allem das Fazit bringt die Sache auf den Punkt und gefällt mir sehr gut. Ebenfalls schön, dass auf einen oberlehrerhaften Ton verzichtet wird.

    Ich selbst habe das Spiel mit Mustern nie so bewusst wahrgenommen, nutze dieses Stilmittel aber unbewusst schon immer in meinen Sitzungen. Ich mag es vor allem einem bestimmten Muster zu folgen und dann irgendwann plötzlich abzuweichen und in ein neues Muster überzugehen. Das sorgt für viel Dynamik. Meine Spieler wissen das und so bleibt die Spannung ziemlich hoch, da in Sitzungen - die ich im Sandkasten-Modus leite - oft auf den Falken gewartet wird. Allerdings ist das wiederum den wenigsten Spielern bewusst, so das ich hier wiederum ein Werkzeug zum Ansetzen habe. Hm, Rollenspiele zu leiten macht schon Spaß ... :)

    Bild von Drak

    Freut mich, dass der Artikel

    Freut mich, dass der Artikel dir gefällt!

    > Rollenspiele zu leiten macht schon Spaß

    Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen :)

    Bild von Drak

    Unter SL-Tipps einsortiert

    Nachdem euch der Artikel so gut gefallen hat, habe ich ihn jetzt unter SL-Tipps einsortiert.

    Danke für eure Antworten!

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    Kommentare



    „Wir haben viel gewürfelt, die ±W6-Mechanik haben die Spieler schnell verinnerlicht […und haben sich gefreut…], dass die Werte zur Vor­stellung passen.“
    — PiHalbe: Katzulhu
        was Leute sagen…