1w6 - Ein Würfel System - Einfach saubere, freie Rollenspiel-Regeln
Schweiß rann ihr die Wange herab, während sie das seltsame Plastikteil an die Konsole hielt und ihr Netzwerkkabel aufschnitt. Drei Minuten, solange hatte sie, bis die Wachen kommen würden - wenn Kjeol recht hatte. Mit hektischen Bewegungen drückte sie die Kabelteile an die Kontakte und zog Tape drüber. Dann warf sie das Programm an, das angeblich von Inside selbst stammte. „Mal sehen, ob dein Code tut, was du Dreckskerl behauptest“ – flüsterte sie, ohne es zu merken. Dann rasten Daten über die Leitung und sie glaubte, erste Fremd-IDs zu erkennen. Ein Tastenbefehl öffnete ihr Log und sie begann den ersten Eintrag: „Discordia sei Dank, sie sind wirklich so naiv wie gehofft. Werden die sich wundern, was eine echte Hackerin mit ihren Systemen anstellen kann…“
Das Charakterkonzept entwickeln.
Da Sven in diesem Abschnitt erstmal Ines ausführlich erklären wird, wie sie ihren Charakter erschaffen kann, habe ich dir kurz zusammengestellt, welche Charaktere auf dich zu kommen:
Ines entwirft die anarchistische Terraner-Hackerin Casilda “Kass” Aguero, die neu auf der Station ist und sich noch in der Welt zurechtfinden muss. (Hier)
Jochen dagegen entscheidet sich für einen Terraner-Priester Ex-Piraten mit Heilfähigkeiten und zwei Persönlichkeiten: Lomo nan Tar. Er will armen Seelen helfen, mit Profit. (Ab Seite XX)
Luna will einen Charakter mit Erfahrung. Sie erschafft für sich den Ranmex-Piloten Chessos (Fuchsmensch), der seinen Clan wiederaufleben lassen will und dafür viel Geld für ein eigenes Schiff braucht. Sehr viel Geld. (Ab Seite XX)
Tamara will eine Kämpferin und wählt daher eine Synachu-Kriegerin mit Psi-Klingen und religiösem Kodex. Tamaras Charakter, Nayres Getral will ihren Ex-Gefährten, der sie als Rebellin denunziiert hat, finden und zur Strecke bringen. Erst muss sie allerdings so stark werden, dass sie ihn wirklich erwischen kann. (Ab Seite XX)
Damit habe ich genug vorweggenommen. Viel Spaß beim Lesen!
Sven: Fangen wir mit der Erschaffung an: Gibt es Bücher, Filme oder Spiele, die dir besonders gefallen?
Ines: Ich bin Fan von Neuromancer, seit ich es mit 12 das erste Mal gelesen habe, wieso?
Sven: Das erleichtert die Erschaffung. So muss ich dir nicht gleich von Anfang an die ganze Welt erzählen, in der wir spielen, sondern kann mich erstmal auf das beschränken, was für dich am interessantesten sein könnte. Was gefällt dir an den Charakteren in Neuromancer am Besten?
Ines: Es sind Hacker. Außerdem lassen sie sich von niemandem für dumm verkaufen und tanzen täglich auf der Klinge. Und ich hätte gern auch so einen Laptop.
Sven: Dann könnten dich die Leute von Halo 8 interessieren.
Halo 8 ist ein Planet ähnlich unserer Erde, der gerade den ersten Kontakt mit dem System hatte. Wir nennen ihn meist einfach Nerde; In Anspielung auf den Hauptunterschied zu unserer Erde: Auf Nerde ist die Nerd- und Geekpopulation deutlich höher als bei uns, und die Hacker, die es zu Administratoren von Regierungsrechnern geschafft haben, sind ihren Wurzeln treu geblieben und haben die Rechner zu Testgebieten umgebaut, in denen angehende Hacker ihre Fähigkeiten erproben können. Es gibt große Anarchistengruppen, die sich im Untergrund etabliert und stabile Pseudostrukturen aufgebaut haben, allerdings entsprechend auch regelmäßig Stress mit der Regierung bekommen. Und einige dieser Anarchisten und brillianten Hacker kommen jetzt in das System und realisieren, dass die Rechner da nach der gleichen Logik funktionieren wie ihre, oft aber schlechter geschützt sind und viel mehr Rechenleistung haben.
Ines: Warte mal. Das klingt zwar interessant, aber was meinst du eigentlich mit "System" und mit erstem Kontakt? Wo spielen wir jetzt genau, und wann?
Sven: Wir spielen in einer Science Fiction Welt, ein paar tausend Jahre in der Zukunft. Das "System" ist die Zentralregierung, und die meisten Bürger leben glücklich und registriert. Natürlich gibt es Rebellen, aber die zerstören nur, was das System bewahren will.
Ines: Zumindest wenn man den Nachrichten des Systems glaubt.
Sven: Genau. Die Bewohner von Nerde wussten bisher nicht, dass es wirklich außernerdisches Leben gibt. Vor kurzem hat allerdings ein Systemschiff Nerde entdeckt und den Regierungen mitgeteilt, dass sie Abgesandte in den Regional-Rat schicken sollen. Das System würde den Abgesandten im Raumschiff einen Crashkurs über die näheren Regionen und die rechtliche Situation geben.
Dass sich Ines für Neuromancer und Hacken interessiert, ist natürlich kein Zufall. Wir haben sie gewählt, weil wir so einerseits die Regeln einführen können, ohne vorher die ganze Welt erklären zu müssen, und andererseits die Welt aus der vertrauten Perspektive einer Hackerin aus einer Welt wie unserer beschreiben können.
Sven: Die Nachricht sollte zwar die Bevölkerung nicht erreichen, ist aber an den Hackern natürlich nicht vorbeigegangen. Und so sitzt nun der Hacker Inside auf dem Schiff im Orbit und zeigt seinen Mitnerds, wie sie Schmugglerschiffe kontaktieren können, um von Nerde runter auf die kaum kontrollierte Piratenstation "Traum Anderer" zu kommen. Sie sind nur mit Laptop, Computerfertigkeiten, Neugier und anarchistischen Ideen bewaffnet und brechen in für sie unbekannte Gebiete auf - und ihre Hackingkünste stellen die Computer des Systems vor Herausforderungen, die sie seit den Maschinenkriegen nicht mehr erlebt hatten.
Ines: Eine anarchistische Hackerin klingt gut. Ist die Technologie auf Nerde ähnlich wie bei uns?
Sven: Größtenteils ja. Die Grundlagen haben sich wenig geändert, und die Sicherheit krankt an zu wenig Geld und unvorsichtigen Benutzern. Ähnliches gilt auch im System, da dort die Computertechnologie großteils wieder zurück auf ein heutiges Niveau gebracht wurde, abgesehen von Holographie, direktem Neuralkontakt, Spracherkennung und ähnlichem. Nachdem mehrfach KIs Amok gelaufen sind wurden sie aus Standardtechnologie verbannt. Solange du also nicht mit illegaler oder militärischer Tech zu tun hast, solltest du dich zurechtfinden.
Ines: Also ist sie ähnlich zu benutzen wie heute, nur mit mehr spannenden Spielereien. Gefällt mir! Gibt es auf Nerde auch ein Spanien?
Es würde uns wenig bringen, die Sprache auf Nerde komplett auszuarbeiten, nur um am Ende zu sagen „‚Trosalnes‘ ist ähnlich wie Spanien, nur ein bisschen anders“. Stell dir einfach vor, es wäre eine fremde Sprache, die für uns übersetzt wird. Das Land, das wie Spanien ist, nennen wir dann einfach Spanien. Nerde ist allerdings nicht genau unsere Welt, hat also Platz für eigene Ideen. Aber es ist hinreichend ähnlich, dass wir uns um die meisten Unterschiede nicht kümmern müssen.
Wenn ihr auf Nerde etwas haben wollt, dass unsere eigene Welt Welt nicht bietet, dann baut es einfach ein. Wir werden kaum die Rollenspielpolizei schicken und jeden Zentimeter von eurer Nerde auf Abweichungen vom Kanon prüfen lassen. Und wenn doch, plädiert einfach auf schuldig selbstständigen Denkens.
Sven: Klar, wie auf der Erde auch. Wir nehmen uns aber die Freiheit heraus, zu ändern was uns nicht passt.
Ines: Klasse! Dann komme ich von da. Eine anarchistische, spanische Hackerin. Wie machen wir jetzt weiter?
Sven: Jetzt haben wir die Grundvorstellung und gehen etwas mehr ins Detail: Was genau willst du können und was hat deine Charakterin zu der Hackerin gemacht, die sie heute ist. Und warum ist sie jetzt auf einer Schmugglerstation? Beginnen wir mit der Frage, was deine Hackerin von der Masse abhebt. Was ist an dir besonders? An was erinnern sich die Leute?
Ines: Ich lasse mir nicht reinreden. Wenn ich was will, dann setze ich es auch durch, egal wie lange es dauert. Und keine verschlüsselte Datei ist vor mir sicher. Was ich auf meine Platte bekomme, kann ich auch lesen. Und meinen Laptop habe ich selbst zusammengebaut und aufgerüstet. Ich nehme ihn überallhin mit, egal wohin ich gehe.
Sven: Um das etwas konkreter zu machen: Hacken kannst du sowieso. Was du zusätzlich besonders gut kannst, ist Verschlüssellungen zu knacken. Außerdem bist du durchsetzungsfähig. Richtig?
Ines: Es grenzt eher schon an stur. Eigentlich schon ganz schön stur. Der Rest passt, aber durchsetzungsfähig klingt irgendwie doof. Können wir nicht einfach zielorientiert sagen? Und authoritätsfeindlich. Zentralisierte Macht hat uns fast alles Übel gebracht und muss abgeschafft werden. Und Verschlüssellung heißt Kryptographie.
Sven: OK, also kannst du Hacken und beherrschst Kryptographie. Dazu bist du zielorientiert, stur und authoritätsfeindlich. Ein verdammt guter Anfang.
Sven: Wie wär's wenn wir dann etwas tiefer schauen: Wo hast du Hacken gelernt, und woher kommt deine Authoritätsfeindlichkeit?
Ines: Hacken habe ich von meinem Vater gelernt. Er hat illegitime Geheimnisse der Regierung aufgedeckt, musste aber untertauchen, nachdem er bei einem Hack erwischt wurde. Wir mussten den Kontakt abbrechen und sind beide in den Untergrund. Ich habe mich einer Anarchistengruppe angeschlossen, die Geld mit illegalen Bankenhacks und Informationsdiebstahl verdiente. Die Probleme von Authorität habe ich dabei praktisch gesehen und Alternativen in ewigen Diskussionen über Politik und Anarchismus kennengelernt. Das ist übrigens eins meiner Hobbies.
Sven: Gibt es Sachen, die du gar nicht kannst?
Ines: Beziehungen über mehr als ein paar Wochen führen. Und Autorität zulassen. Meinen Vater hat es erwischt, weil er zugelassen hat, dass er in eine zentrale Position kam, in der zu viel nur von ihm abhing. Diesen Fehler werde ich nicht machen, und ich werde auch niemand anderen in eine Herrschaftsposition lassen. Jede Entscheidung muss demokratisch abgestimmt werden.
Sven: Damit haben wir deine Hackerin fast schon fertig: Wir wissen, was anderen von dir in Erinnerung bleibt und woher du das hast, und wir wissen auch, wofür dich die Gruppe brauchen wird: zum Hacken. Was wir noch wissen müssen ist, warum du auf der Piratenstation "Traum Anderer" bist, warum du nicht mehr zurück kannst und was dich für die anderen in der Gruppe sympathisch machen könnte - sowohl für die Charaktere als auch für die Spielerinnen und Spieler.
Ines: Das erste ist leicht: Ich habe über meinen Vater mitbekommen, dass das System die Rebellen als das ultimative Böse darstellt. Ein paar kurze Suchen haben bestätigt, dass dahinter mehr Lügen als Fakten stecken, so dass ich mich entschlossen habe, alles darüber herauszufinden. Und wenn ich mich mal in was verbissen habe, höre ich erst auf, wenn ich es komplett erledigt habe.
Sven: Und damit ist vermutlich auch klar, warum du nicht zurück kannst.
Ines: Logisch. Das würde bedeuten aufzugeben.
Sven: Und warum holst du dir nicht einfach eine illegale ID und nimmst einen Job als Programmiererin an?
Ines: Um dann Befehle von irgendeinem Trottel anzunehmen? Keine Chance. Das einzige, wofür ich aufhören würde wäre eine anarchistische Kommune, und das auch erst, nachdem ich über die Rebellen alles weiß, was es zu wissen gibt.
Sven: Sehr schön. Gibt es noch andere wichtige Punkte?
Ines: Ich höre ständig Trash-Punk und wenn mir irgendjemand blöd kommt, kriegt er Antworten, die er nicht wollte. Meinen Freunden gegenüber bin ich allerdings bedingungslos loyal, auch wenn ich ihnen das niemals sagen würde.
Sven: Damit ist dann auch geklärt, was dich sympathisch machen kann. Hast du eine Idee für einen Namen?
Ines: Casilda Aguero, für Freunde Kass.
Sven: Wow, das war schnell. Fällt dir zufällig auch ein schönes Zitat ein, das zu Kass passen würde?
Ines: Klar: "Wer hat das beschlossen?"
Sven: Klasse! Dann kommen wir jetzt zum technischen Teil.
Ines: „Haben wir noch einen Moment? Sagen wir mal, du hättest GNU social auf deinem Handy und deine Freundin würde mitlesen, um zu sehen, was ihr macht, wie würdest du die Terraner von Nerde beschreiben? Du hast 140 Zeichen.”
Sven: „Sie sind anarchistische Hacker alter Schule. Noch kennen sie nur primitive Technologie, doch sie lernen schnell.”
Ines: „Augenblick… … … OK, machen wir weiter.”
Kommentar hinzufügen